Auswertung der Umfrage zum Status Quo Interdisziplinären Arbeitens

Autoren: Sarah Bösel, Christian Grosser, Prof. Oliver MacConnell

Intro

Im Zeitraum Q4/2021 bis Q1/2022 hat das bbw Gründerzentrum eine Umfrage unter Führungskräften in der Textil- und Bekleidungsindustrie / Modebranche zum Status Quo Interdisziplinärer Arbeit durchgeführt. Erste Erkenntnisse wollen wir im Folgenden aufzeigen.

Ausgangslage

Der demographische Wandel, die Globalisierung und die durch neue Technologien vorangetriebene digitale Vernetzung verändern die Arbeitswelt drastisch. Durch den Wandel von einer Industrie- hin zu einer Wissensgesellschaft werden die starren Hierarchien in vielen Unternehmen den Anforderungen an modernen Arbeiten nicht mehr gerecht. Effizienz allein genügt nicht mehr. Die Arbeitswelt von morgen wird komplexer und wesentlich agiler sein. Sie wird den einzelnen Mitarbeiter stärker fordern, Teamarbeit und gemeinsame Ideenfindung noch stärker in den Fokus rücken. Ein Ansatz ist das Interdisziplinäre Arbeiten (IA); eine fach-/abteilungs und unternehmensübergreifende Kommunikation und Handlung mit dem Zweck der Lösung komplexer Aufgaben und Fragestellungen. 

Praxisbeispiele (bei Siemens, Procter & Gamble u.a.) zeigen, dass interdisziplinäres Arbeiten bei der Verbesserung von Unternehmensergebnissen helfen kann: 

  • durch Kosteneinsparung (bspw. durch kürzere Wege, schnellere Produktreife)
  • bessere Arbeitsatmosphäre (bspw. durch Potentialentfaltung von Mitarbeiter:innen
  • Justierung individueller Work-Life-Balance) 
  • Verbesserung des Innovationsgrades von Produkt/ Dienstleistung (durch Partizipation mehrerer Disziplinen)

Intention

Die Beweggründe, sich mit interdisziplinärer Arbeit zu befassen, sind vielfältig. Ziel der durchgeführten Managementbefragung des bbw Gründerzentrums war es, den aktuellen Stand zum Thema Interdisziplinäres Arbeiten zu erfassen. Es wurde erfragt in welchem Maß IA bereits genutzt wird, um Innovationen entsprechend der branchenrelevanten Makrotrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Individualisierung umzusetzen und welche Methoden hier als besonders zielführend erachtet werden. Die Erhebung hat nicht den Anspruch eines neuen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Vielmehr verbirgt sich ein starker Beweggrund in der Bewältigung der Herausforderungen heutiger und künftiger Arbeitsstrukturen. 

Es ist an der Zeit, sowohl den Wandel in der modernen Arbeitswelt (als Stichworte seien hier genannt: Open Desk, agile Teams, Coworking und Vertrauenskultur) als auch die mit der Globalisierung und der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen für die Gestaltung, Organisation und Führung von interdisziplinärer Arbeit in Teams zu erkunden, zu diskutieren und bestehende Konzepte und Instrumente anzupassen bzw. zu ergänzen.

Erkenntnis

Für die Umfrage wurden die Unternehmen nach Größe (Umsatz und Mitarbeiteranzahl) sowie die teilnehmenden Führungskräfte nach branchengängigen Abteilungen (Einkauf, Vertrieb, Verwaltung, Marketing) gegliedert. Die Auswertung zeigte eine gleichstarke Ausprägung von IA in den Einheiten. Die Majorität ist zufrieden bis sehr zufrieden mit dem interdisziplinären Arbeiten im Unternehmen. Gleichzeitig ist die Mehrheit auch für die Erweiterung von IA. Besonders auffällig war, dass 86,7%[1] der Befragten interdisziplinäres Arbeiten einsetzen, jedoch nur 24,0% formelle Regeln zu IA im Unternehmen vorfinden. 

Die Divergenz dieser Aussagen lässt den Rückschluss zu, dass IA eine sehr subjektive Interpretation mit sich bringt und in Folge auch unterschiedlich verstanden werden kann. Gestützt wird die Aussage durch die eigenen freien Kommentare der Teilnehmer. Des Weiteren entsteht ein Kontrast durch die Aussage, dass für IA viel Unterstützung erfahren wird, jedoch aber Führungsstil und gesetzte Struktur im Unternehmen an der Spitze der IA-Verhinderer stehen. Es zeigte sich: Klassische Hierarchien aus der Vergangenheit, starke EGOs und fehlende formelle Regeln erschweren interdisziplinäres Arbeiten.

Warum Interdisziplinäres Arbeiten

Im schnelllebigen und konkurrenzstarken Umfeld moderner Arbeitswelten können es sich Unternehmen nicht mehr erlauben, die vorhandenen Potentiale ihrer Mitarbeiter zu verschwenden. Um auch langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist die eigene Innovationskraft entscheidend. Neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle bedürfen dabei mehr denn je der Zusammenarbeit verschiedener Talente sowie unterschiedlicher Blickwinkel und Herangehensweisen.

„The greater the contrast, the greater the potential. Great energy only comes from a correspondingly great tension of opposites.“ 

C. G. Jung

Unterschiedliche Perspektiven aufgrund individueller Stärken und Erfahrungen sowie verschiedene Bildungshintergründe einzelner Teammitglieder ermöglichen kreative Lösungsansätze und heben damit das Innovationspotential.

Weitere Schritte

Unterschiedliche Sichtweisen, Charaktere und persönliche Differenzen sind potenzielle Konfliktquellen und stehen einem gleichwertigen Austausch zwischen den Teammitgliedern entgegen. Hierdurch leiden die Kreativität und Ideenfindung. Auch moderne Ansätze wie New Work oder ein stark mitarbeiterorientierter Führungsstil (inklusive eines generellen Duzens, Kicker-Abende, Goodies) können diesen Kontakt auf Augenhöhe und ungehinderten Meinungsaustausch nicht garantieren. Der Zugang „Hidden Talents“ im Team wird mit den aktuell verbreiteten Konzepten der IA nicht zwangsläufig freigelegt.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

  • Interdisziplinäres Arbeiten wird heute als essenzieller Bestandteil aktueller und zukünftiger Unternehmensprozesse bewertet.
  • Gelungenes interdisziplinäres Arbeiten nährt nicht nur den fachübergreifenden Austausch, sondern kann unter bestimmten Voraussetzungen auch die verstärkte Nutzung der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Human-Talente befeuern (Deep Talenting).
  • Die schwerwiegendsten Verhinderer für den Erfolg interdisziplinären Arbeitens sind ein nicht wertschätzendes Führungsverhalten sowie überholte, weil unflexible hierarchische Strukturen. Respektvolles und wertschätzendes Führungsverhalten hingegen begünstigt interdisziplinäres Arbeiten, muss aber häufig erst in einem zeit- und kostenaufwändigen Prozess implementiert werden.

Folgerung:

Es muss daher untersucht werden, wie typische Verhinderer von IA ausgeschaltet werden können, ohne die Begünstiger von IA zu gefährden.

Unsere Vermutung: Ein möglicher Ansatz für den gesteigerten Erfolg interdisziplinärer Arbeit ist die projektbezogene Eliminierung von nicht zielführenden hierarchischen Strukturen und schädlichem Führungsverhalten durch eine Anonymisierung der Teilnehmenden. Verschiedene Untersuchungen lassen die Annahme zu, dass Mitarbeiter, die keine Notwendigkeit verspüren sich gegen -subjektiv gefühlte oder objektive festgestellte- hierarchische oder führungsspezifische Bedrohungen schützen zu müssen, wesentlich befreiter, effektiver und erfüllter arbeiten können. Ergänzend hierzu gibt es bereits erste konkrete Ansätze, die durch bewusste Anonymisierung der Teilnehmenden auch Zugriffe auf deren verborgene Talente ermöglichen können.

Arbeitsthesen für das weitere Vorgehen:

• IA Arbeitsgruppen arbeiten anonym effektiver.

IA kann unter bestimmten Voraussetzungen den Teilnehmenden auch den Zugang zu eigenen verborgenen Talenten ermöglichen.

Weiterführende Quellen:

Weitere Artikel unseres Blogs finden Sie hier.


 

verfasst von Sarah Bösel

Redaktionsleiterin Blog, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für das bbw Startup Center

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